Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 18.08.2021, Az. XII ZB 145/21 kann bei der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung durch die deutschen Gerichte nach dem Haager Übereinkommen vom 13.01.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (Haager Erwachsenenschutzübereinkommen - ErwSÜ) ausnahmsweise die Anwendung eines anderen Staates (hier Griechenland) in Betracht kommen, zu dem der Sachverhalt eine enge Verbindung hat.
Im konkreten Fall litt die 94-jährige Betroffene an der Alzheimer-Krankheit, wegen derer sie sich nicht mehr um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern konnte. Sie lebte in Deutschland, war aber in Griechenland geboren und aufgewachsen. Zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung waren noch Immobilien und Bankguthaben in Griechenland vorhanden. Die Betroffene hatte ursprünglich beabsichtigt, ihrem Sohn beim griechischen Konsulat eine Vollmacht zur Regelung ihrer Angelegenheiten zu erteilen. Die Vollmacht wurde vom Konsulat jedoch nicht mehr errichtet, da die Demenz schon so weit fortgeschritten war, dass eine wirksame Vollmachtserteilung nicht mehr möglich war.
Der Sohn der Betroffenen regte daher beim Amtsgericht eine Betreuung an. Das Amtsgericht richtete eine Betreuung nach deutschem Recht mit dem Aufgabenkreis „Verkauf und Verwaltung von Immobilien und Grundstücken in Griechenland sowie Vertretung bei allen Bankgeschäften in Griechenland“ nach deutschem Recht ein. Hiergegen legte der Sohn eine Beschwerde ein und beantragte die Bestellung als Betreuer nach griechischem Recht und die Einrichtung eines sog. Überwachungsausschusses nach griechischem Recht, bestehend aus den Angehörigen der Klägerin. Ein derartiger Überwachungsausschuss soll den Betreuer kontrollieren und den Betreuten schützen. Ein vergleichbarer Überwachungsausschuss existiert im deutschen Recht nicht.
Das Landgericht lehnte die Bestellung des Sohnes als Betreuer nach griechischem Recht ab. Nach Art. 24 Abs. 1 EGBGB richte sich zwar die Entstehung einer Betreuung dem Recht des Staates, dem der Betroffene angehöre. Allerdings unterliege der Inhalt der Betreuung nach Art. 24 Abs. 3 EGBGB dem Recht des anordnenden Staates und damit deutschem Recht.
Der BGH folgte der Rechtsauffassung des Landgerichts nicht. Die internationale Gerichtszuständigkeit richte sich nach Art. 5 des Haager Erwachsenenschutzabkommens (ErwSÜ) nach dem Recht des Vertragsstaats, in dem der Erwachsene seinen gewöhnlichen Aufenthalts. Dies sei hier Deutschland. Nach Art. 13 Abs. 1 ErwSÜ wenden die Behörden bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit ihr eigenes Recht an (sog. Gleichlaufprinzip). Soweit es der Schutz der Person oder des Vermögens erfordert, können sie gemäß Art. 13 Abs. 2 ErwSÜ ausnahmsweise das Recht eines anderen Staates anwenden, zu dem der Sachverhalt eine engere Verbindung hat. Dies gilt nach Art. 18 ErwSÜ auch dann, wenn es sich dann wie bei Griechenland um das Recht eines Nichtvertragsstaats handelt, da Griechenland das Abkommen nicht unterschrieben hat. Laut BGH hätte das Landgericht aber prüfen müssen, ob nicht doch eine engere Verbindung zum griechischen Recht vorliegt und dieses hätte angewendet werden müssen.
Fazit: Sie leben in Deutschland und haben Vermögen oder Immobilien in Ihrem Heimatland? Wenn Sie möchten, dass Ihre Kinder später einmal alles für Sie regeln können, wenn Sie es selbst nicht mehr können, sollten Sie ihnen eine Vollmacht erteilen, wenn noch keine Zweifel an Ihrer Geschäftsfähigkeit und Ihren mentalen Fähigkeiten bestehen können. Bei der Erstellung ist anwaltliche Unterstützung sinnvoll.
Auch wenn Sie noch Immobilien oder Vermögen im Heimatland haben, werden Sie im Fall von Betreuungsbedürftigkeit wegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 ErwSÜ in aller Regel von den deutschen Gerichten nach deutschem Recht unter Betreuung gestellt. Das Recht Ihres Heimatlandes wird nur ausnahmsweise zur Anwendung kommen, wenn eine enge Verbindung zum Heimatland besteht. Wenn Sie dies nicht möchten, kann auch hier eine rechtzeitig errichtete Vorsorgevollmacht Abhilfe schaffen.