Mit Beschluss vom 22.04.2022, Aktenzeichen 1 KM 221/22 OVG hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald die sog. Hotspot-Regelungen zum Teil außer Vollzug gesetzt. Das Gericht entschied, dass mehrere Vorschriften der Corona-Landesverordnung M-V gegen § 28a Abs. 8 des Infektionsschutzgesetzes verstoßen uns setzte die betreffenden Vorschriften daher vorläufig außer Vollzug. Nach § 28a Abs. 8 des IfSG können auch die Landesparlamente unabhängig von der Feststellung des Bundestags über das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in einer konkret zu benennenden Gebietskörperschaft, in der durch eine epidemische Ausbreitung der Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) die konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage besteht, notwendige Schutzmaßnahmen anordnen, sofern das Parlament des betroffenen Landes das Vorliegen der konkreten Gefahr und die Anwendung konkreter Maßnahmen in dieser Gebietskörperschaft feststellt. Das OVG Mecklenburg-Vorpommern hat jedoch entschieden, dass die §§ 6, 8 Abs. 3 Nr. 1 sowie 9, 10, 11 und 13 der Corona- Landesverordnung Mecklenburg-Vorpommern somit nicht mit § 28a Abs. 8 IfSG vereinbar seien.
Das Landesparlament habe zwar am 24.03.2022 die konkrete Gefahr und die Anwendung von Maßnahmen festgestellt und sich dabei auf die Ausbreitung der Omikron-Virus-Variante BA.2 der Corona-Virus-Krankheit 2019 (COVID-19) bezogen. Allerdings sei die förmliche Feststellung der Anwendung denn Maßnahmen nicht ausreichend, denn die Feststellung müsse materiell auch tatsächlich zutreffend sein. Dem Parlament komme zwar ein sehr weitgehende Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum bei der Feststellung des Vorliegens der konkreten Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage. Diesen Entscheidungsspielraum habe das Parlament jedoch überschritten. Eine konkrete Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage besteht laut der gesetzlichen Definition in § 28a Abs. 8 S. 2 IfSG, wenn in der jeweiligen Gebietskörperschaft die Ausbreitung einer Virusvariante des Coronavirus SARS-CoV-2 festgestellt wird, die eine signifikant höhere Pathogenität aufweist (Nr. 1), oder auf Grund einer besonders hohen Anzahl von Neuinfektionen oder eines besonders starken Anstiegs an Neuinfektionen eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten in der jeweiligen Gebietskörperschaft droht (Nr. 2).
Die tatsächlichen Feststellungen, aufgrund denen das Landesparlament die streitigen Regelungen erlassen habe, sei jedoch unzureichend. Die nach § 28a Abs. 8 Nr. 1 IfSG erforderliche signifikant höhere Pathogenität sei bezüglich der Omikron-Variante nicht ersichtlich, es handele sich auch nicht um eine neue Variante. Diese sei zum Zeitpunkt des Erlasses auch nicht neu gewesen. Die Voraussetzungen des § 28a Abs. 8 Nr. 2 IfSG, d.h. eine besonders hohe Anzahl von Neuinfektionen oder eines besonders starken Anstiegs an Neuinfektionen eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten in der jeweiligen Gebietskörperschaft müsse bezogen auf konkrete Landkreise bzw. kreisfreien Städte festgestellt werden. Es sei auch nicht angemessen, alle in einem Gebiet lebenden Personen Ausgangsbeschränkungen zu unterwerfen, nur weil sich einzelne Personen nicht an Kontaktbeschränkungen hielten.