Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 6. April 2022, Az. XII ZB 451/21 ausgeführt, dass das Betreuungsgericht einen konkreten Betreuer auswählen muss, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass die Einrichtung einer gesetzliche Betreuung erforderlich ist. Zudem müsse das Beschwerdegericht den Betroffenen, der unter Betreuung gestellt werden soll erneut anhören, wenn das Beschwerdegericht für seine Entscheidung eine neue Tatsachengrundlage, z.B. ein Sachverständigen-gutachten heranzieht.
Im Fall litt die 83-jährige Betroffene an fortgeschrittener Demenz und Parkinson. Im Jahre 2014 hatte sie ihren beiden Kindern Vorsorgevollmachten für den Fall erteilt, dass sie ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln könne. Einer der Söhne lebte in einer etwa 200 km entfernten Stadt. Die Betroffene lebte mit dem Ehemann zusammen und wurde von diesem gepflegt und betreut. Als dieser selbst erkrankte und sich in Behandlung begeben musste, veranlasste der 200 km entfernt lebende Sohn die Aufnahme der Betroffenen in eine Pflegeeinrichtung in seiner Stadt. Nach seiner Genesung besuchte de Ehemann die Betroffene dort wöchentlich und wollte diese wieder zuvor zu Hause betreuen oder sonst in einer Pflegeeinrichtung in seiner Nähe betreuen lassen.
Da der Ehemann dies aufgrund der Vorsorgevollmachten der Kinder jedoch nicht mehr entscheiden konnte und der Sohn auf den Verbleib der Betroffenen in der Pflegeeinrichtung bestand, regte er beim zuständigen Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers an, was das Amtsgericht jedoch aufgrund der bestehenden Vorsorgevollmachten ablehnte. Auch das Landgericht lehnte die Beschwerde ab. Der BGH verwies die Sache ans Landgericht zurück, welches ein Sachverständigengutachten einholte, in dem die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Betreuung festgestellt wurde. Das Landgericht verwies die Angelegenheit ohne weitere Anhörung der Betroffenen ans Amtsgericht zurück und wies dieses an, einen gesetzlichen Betreuer zu bestellen.
Der BGH entschied, dass die Voraussetzungen zur Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung nach § 1896 BGB trotz der notariellen Vorsorgevollmachten vorlägen, da die Vorsorgebevollmächtigten bezüglich der Heimunterbringung nicht im Sinne der Betroffenen handelten. Zwar sei die Heimunterbringung am Wohnort des Sohnes nicht zu beanstanden. Nach Genesung des Ehemannes habe sich die Sachlage jedoch geändert, was hätte berücksichtigt werden müssen. Ferner entschied der BGH, das Landgericht hätte nach der Feststellung, dass die Bestellung eines Betreuers grundsätzlich erforderlich ist, auch hierzu eine Person konkret zum Betreuer bestellen müssen.
Weiter entschied der BGH, dass nach Einholung des Sachverständigengutachten durch das Beschwerdegericht eine weitere Anhörung hätte erfolgen müssen. Nach § 278 Abs. 3 FamFG muss vor der Bestellung eines Betreuers eine persönliche Anhörung erfolgen. Zwar kann das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Durchführung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Neue Erkenntnisse sind aber zu erwarten, wenn eine neue Tatsachengrundlage vorliegt, z.B. weil das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Von der Anhörung konnte auch nicht nach § 34 Abs. 2 FamFG abgesehen werden, weil die Betroffene nicht in der Lage war, ihren Willen kundzutun. Hierzu hatte das Gericht keine Feststellungen getroffen.
Als Fazit der Entscheidung lässt sich feststellen, dass Errichtung einer Vorsorgevollmacht nicht immer der Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung im Wege steht. Ferner sind die Vorschriften, nach denen durch das Gericht von der Anhörung des Betroffenen absehen kann streng zu handhaben.