Deutsch-französisches Doppelbesteuerungsabkommen: Kein pauschalierter Lohnsteuerabzug beim Kurzarbeitergeld für Grenzgänger

 

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 03.11.2021, Aktenzeichen B 11 AL 6/21 R entschieden, dass einem Grenzgänger mit Wohnsitz in Frankreich keine pauschalierte Lohnsteuer vom Kurzarbeitergeld abgezogen werden darf. Dies beruhe darauf, dass ein in Deutschland beschäftigter Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Frankreich nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen bereits in Frankreich steuerpflichtig sei.

Eine GmbH mit Sitz in Deutschland beantragte für eine Arbeitnehmerin, die ihren Wohnsitz in Frankreich hat, Kurzarbeitergeld bei der der Bundesagentur für Arbeit. Letztere zog unter Verweis auf § 153 SGB III pauschalierte Lohnsteuer vom Kurzarbeitergeld ab, stufte die Arbeitnehmerin in die Steuerklasse I ein und verwies darauf, dass dies eben der gesetzlich festgelegte Berechnungsmodus sei. Die klagende GmbH beschritt hiergegen zunächst erfolglos den Weg durch die Instanzen. Das Bundessozialgericht verwies die Angelegenheit dann jedoch ans Landesozialgericht Baden-Württemberg zurück und wies darauf hin, dass eine in Frankreich lebende Arbeitnehmerin, die täglich zu ihrem Wohnort nach Frankreich zurückkehrt, diese als echte Grenzgängerin im Sinne von Art. 1 der VO (EG) 883/2004 anzusehen sei und daher nach Art. 11 und 65 der VO (EG) 883/2004 die Zuständigkeit Deutschlands gegeben sei. Sie könne daher Kurzarbeitergeld von der Bundesagentur für Arbeit beanspruchen, als ob sie in Deutschland wohnen würde.

 

Nach Art. 13 Abs. 5 des Deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Wohnstaat zu versteuern. Im Fall der Arbeitnehmerin der Klägerin bestehe also Lohnsteuerpflicht in Frankreich. Diese Steuerpflicht gelte seit dem 01.01.2016 auch für Sozialleistungen. Das Verfahren zum Grenzgängerfiskalausgleich richte sich nach Art. 13a des Doppelbesteuerungsabkommens. Zwar sei das Leistungsentgelt nach § 106 Abs. 1 S. 6 SGB III in Verbindung mit § 153 Abs. 1 S. 1 SGB III das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt, wobei auch für die Lohnsteuer ein pauschalierter Abzug gemäß der aktuellen Lohnsteuerklasse vorzunehmen sei.

 

Bestehe nach dem Doppelbesteuerungsabkommen allerdings schon in Deutschland keine Steuerpflicht, fehle es auch an einer Steuerklasse als Lohnsteuerabzugsmerkmal. Wegen des aus § 2 Abgabenordnung folgenden Vorrangs des Doppelbesteuerungsabkommens könne keine Zuordnung zu einer Lohnsteuerklasse vorgenommen werden. Der Abzugsbetrag für pauschalierte Lohnsteuer liege daher bei 0 Euro. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien darüber hinaus nach Art. 45 AUEV und Art. 7 der VO (EG) 492/2011 nicht nur unmittelbare Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle mittelbaren Diskriminierungen aufgrund anderer Unterscheidungsmerkmale, die aber tatsächlich zu den gleichen Ergebnis führen verboten. Die Gleichbehandlung von in Deutschland wohnenden und arbeitenden Beschäftigten mit Grenzgängern stelle wegen der Sonderbelastung der Grenzgänger möglicherweise eine solche mittelbare Diskriminierung dar.